Auf die Wilde Leck via Ostgrat als Tagestour

Eine Hochtour mit Westalpen-Ambiente in den Ostalpen. Um zwei Uhr morgens klingelt der Wecker nach einer relativ kurzen Nacht. Wieder geht es auf ein Abenteuer! Kurz nach 3 fahren wir in München los, und befinden uns bereits in Tirol, als sich die ersten Sonnenstrahlen zu zeigen beginnen und wir wissen: es wird ein langer Tag.

Hard facts
Die Tour hat über 1800 Höhenmeter über 26 Kilometer und geht auf 3359m, die Höhe ist hierbei nicht zu unterschätzen. Die Schlüsselstelle ist im IV. Schwierigkeitsgrad, meist aber II-III, selbtständige Absicherung möglich. Je nach Jahreszeit geht es über Altschneefelder oder Gletscher. Die reibungslose Orientierung am Grat setzt alpine Erfahrung voraus. Als Tagestour ist es nur zu empfehlen, wenn man über eine gute Grundlagenausdauer und Orientierungssinn im Blockgelände verfügt.

Kurz nach 6 Uhr laufen wir am gebührenpflichtigen Parkplatz (Tagesticket: 3€) in Gries im Sulztal los. Der Parkplatz befindet sich am Ortsende, nachdem man gefühlt 100 Kurven der Straße hochgefahren ist – ist schwer zu verfehlen.

bis zur Ambergerhütte über Forststraßen

Zustieg
Wir bewegen uns also Richtung Ambergerhütte auf teilweise sehr flachen Forststraßen an mehreren Almen und Kuhwiesen vorbei und kommen nach ungefähr 1 1/2 Stunden an der Hütte an. Dieses Stück eignet sich auch für (E)-Mountainbike ganz gut, wir entscheiden uns jedoch für das Laufen. Nach einer kurzen Pause geht es auch direkt weiter Richtung Sulztalferner.

über steile Wege hoch hinauf, bald ist der Sulztalferner in Sicht

Es gibt zwei Aufstiegsmöglichkeiten zum Gletscher. An der Kreuzung biegen wir rechts ab und gehen direkt steil hinauf.

dem Grat entlang Richtung Sulztalferner

Bald zeigt sich der Sulztalferner in seiner vollen Pracht vor unseren Augen – im Moment jedoch noch sehr schneebedeckt, kaum sind Spalten zu sehen. (Stand: 3. Juli 2021) Wir gehen weiter auf einem kleinen Grat weiter, bei dem teilweise der Weg links in Form von Erdrutsch verschwunden ist – das erweist sich aber nicht als Problem, wenn man einfach gerade aus weiterläuft, kommt man irgendwann am Gletscherfuß an.

kurze Snackpause, bevor die Altschneefelder und der Gletscher dran glauben müssen

Da sowohl der Schutt als auch der Gletscher noch vom Altschnee bedeckt ist, ziehen wir unsere Steigeisen an und das Schneestapfen beginnt – teilweise mühsam, da man gerne mal auf den Altschneefelder bis zum Knie einsinken kann. Da wir stets am Rande vom Gletscher und auf den Schneefelder unterwegs sind, entscheiden wir uns dazu, uns nicht anzuseilen. Vorbei an der Zahmen Leck geht es nach Rechts in das Becken unter der Wilden Leck.

Wintergefühle im Hochsomme- jedoch wurden wir eher in der Sonne gegrillt als abgekühlt

Bei unserer Tour lag noch ziemlich viel Schnee in diesem Becken und vom Schutt war kaum etwas zu sehen, was das Finden des Einstiegs erschwerte. Wir folgten einer Spur hoch zum Grat, jedoch ist hier Vorsicht geboten: wir stiegen zu weit unten in die Flanke ein und der Weg zum Grat erwies sich als mühsamer als es im Normalfall ist.

bald beim Einstieg in die Genusskletterei

Der Zustieg zum Grat sowie der Weg auf dem Ostgrat selbst sind auf der Karte (bei Bergfex) markiert. Dabei sollte man sich wirklich an den Weg auf der Karte halten, um nicht in schwierigeres und brüchigeres Blockgelände zu kommen. Auf dem richtigen Weg steigt an steigt man ungefähr 20 Höhenmeter über Schutt, Blockwerk und Bänder zu, die Kletterei beginnt auf einer Höhe von ca. 3100m.

der spaßige Teil fängt endlich an!

Die Kletterei
Die Kletterei beginnt mit IIer Passagen rechts vom Grat und bald kommen wir beim kurzen Reitgrat an (Stelle II). Wir lassen erstmal die Sicherung weg und gehen seilfrei.

manchmal stellt sich der Grat auch auf und es geht steil hinauf
auf dem Reitgrat (II)

Man bleibt erstmal eher an der rechten Seite vom Grat und sucht den einfachsten Weg durch den Fels. Dann gelgangt man an der ersten III- Stelle in einer plattigen Wandstufe, die kurz und knackig ist. Weiter geht es im IIer Gelände. Bald kommt man bei einem Turm an, entweder geht man hier rechts (II) oder die Variante links (III). Auch ein direktes Überklettern des Turmes ist in IV. Grad möglich, allerdings muss dann 15m von der Spitze des Turms abgeseilt werden. Nach einer plattigen Passage klettert man weiter oben auf dem Grat.

mehrere Grattürme werden passiert

Um zur Schlüsselstelle (IV) zu gelangen, steigt man links zur Platte ab. Hier entscheiden wir uns dazu, das Seil auszupacken und den Rest zu sichern. Die Schlüsselstelle ist eine rissige Platte unterhalb von einem Turm am Grat, hier befindet sich ebenfalls ein Bohrhaken. Nach der Schlüsselstelle geht man weiter am Grat links haltend (III-, II). Bald ist das Gipfelkreuz in greifbarer Nähe. Die letzten Aufschwünge zum Grat (IIIer Stellen) sichern wir und nach einem langen Aufstieg kommen wir endlich am Gipfel an.

die letzten Meter zum Gipfel

Doch lang können wir uns nicht Zeit lassen, denn 1800 Höhenmeter warten noch drauf, abgeklettert und abgestiegen zu werden – zudem ziehen sich Wolken auf. Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es direkt dem rot markierten Weg entlang am Südwestgrat. Die alte Abseilstelle ist ebenfalls markiert (rot-weiß), den Weg sollte man aufgrund der Brüchigkeit nicht mehr wählen!

Abstieg
Abgestiegen wird also über den Südwestgrat. Des Öfteren tauchen an steileren Passagen Bohrhaken zum Abseilen auf, jedoch sind es bei den ersten zwei Stellen jeweils 2-3 Meter, sodass wir uns zum vorsichtigen Abklettern entscheiden. Man folgt weiter der roten Markierung.

der Abstieg über den gut markierten Südwestgrat

Über eine schottrige, steile Passage (30 Meter) vor einem waagerechten Stück am Grat scheint es für uns die beste Entscheidung zu sein, abzuseilen. Hier ist ebenfalls eine Abseilpiste eingerichtet.

hier lohnt es sich, das Seil zum Abseilen rauszuholen (30m)

Weiter geht es über Blockgelände am großen Steinmanndl rechts vorbei, danach keine Abkletterstellen mehr.

angekommen im Schuttgelände gibt es keine Abkletterstellen mehr

Der weitere Abstieg am Grat führt über Blockgelände hinab bis zu einem Sattel. Von dort führt eine Rinne bis zum Gletscherbecken unterhalb der Wilden Leck. Weiter geht es durch die Rinne, welche zu dieser Jahreszeit noch schneebedeckt ist. Hier würde man im Normalfall abseilen, es sind zwei Bohrhaken vorhanden (ungefähr fünf meter Abstand zueinander).

Wir entscheiden uns dazu, die steile Rinne im Schnee abzusteigen. Nach dem die steile Passage im Schnee vorbei ist, nutzen wir den Restschnee und nehmen den schnellsten und spaßigsten Weg: hinsetzen und los geht der Schlittenspaß! Wir treffen auf unseren Zustiegsweg und steigen diesen bis zum Ende des Gletschers bzw. Schneefelder ab. Hier nehmen wir den unteren Weg am Bach entlang. Bald ist die Ambergerhütte wieder sichtbar. Wir steigen auf dem Aufstiegsweg wieder ins Tal ab, wo uns der Regen kurz vor dem Schluss doch noch erwischt.

Abstieg durch die schneebedeckte Rinne

Fazit
Die Tour mit ihren über 1800 Höhenmetern und weiten Strecken ist als Tagestour nicht zu unterschätzen. Man muss auf alle Fälle eine starke Grundlagenausdauer mitbringen und den Höhenunterschied beachten – wenn man morgens um zwei Uhr auf 519 Metern in München aufwacht und 10 Stunden später auf über 3300 Metern steht, ist es schon eine Herausforderung für den Körper. Die Wegfindung ist teilweise erschwert, es ist wirklich eine richtige alpine Tour, bei der alpine Erfahrung und Sicherheit vorausgesetzt sind.

traumhafte Aussicht vom Gipfel auf die Stubaier Alpen

Zu dem Fels: ich habe zwar Felserfahrung, doch ist die im Kalk eine andere, als im Granit. Das war mein zweites Mal im Blockgelände überhaupt und so ein Grat ist gewöhnungsbedürftig. Während Kalk meistens da bleibt, wo es hingehört, bewegen sich die Blöcke beim Granit gefühlt ständig – daran musste ich mich erst einmal gewöhnen und so war ich zugegeben der Abstieg dementsprechend etwas langsamer. Jedoch möchte ich diese Art Fels mindestens so gut beherrschen, wie den Kalk – es macht nämlich unglaublich viel Spaß und die Ausblicke, auf die man von diesem Gelände aus trifft, sind einfach einmalig!

Falls ihr mehr von dieser Tour sehen wollt, findet ihr in meinem Story-Highlight „Wilde Leck“ auf Instagram ein paar mehr Eindrücke. Und wenn ihr keine Tourenberichte mehr verpassen möchtet, könnt ihr euch hier für den Newsletter anmelden!


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